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Waldmusik

Selbst der einsame Wald hat seine wunderbare Musik — die Waldmusik.

Setzt man sich in die Stille des Waldes, braucht man erstmal keinen 1,5 m-Abstand von den Bäumen. Dann aber merkt man bald, dass er voller Musik ist:

Im Winde reiben sich die Äste. Das sind Töne aller Stimmgruppen vom hellen Sopran bis zum knarrenden Bass. Wenn jetzt im November die dürren Blätter fallen, tanzen sie von Zweig zu Zweig, von Ast zu Ast und stoßen an andere dürre Blätter. Das ist ein feines Wispern gezupfter Harfenseiten, zartes Klirren des Xylophons. Dann sind ja da noch einige überwinterungswillige Vögel. Die emsigen Meisen singen wie zarte Kinderstimmen. Die Krähen und Eichelhäher hören sich wie Jungen im Stimmbruch an oder wie verschleimte Kehlen beim Einsingen oder wie wilde Schreie übermütiger Jugendlicher. Die Rabenkrähen und Raben aber liefern tiefe sonore Bassstimmen ab. Ja, und ganz am Boden hört man ganz feine lockende Töne wie die der Loreley — aber Vorsicht beim Hineilen — nur hören und schauen:

Ramaria formosa
un’ brutta cosa.
Buon’ visitare,
non mai mangiare.

Die bunte Koralle
dient nur dem Ergötzen.
Verknuspert erzeugt sie
Gedärmezerfetzen.


Fundort Fränkische Schweiz, Wilder Wald um Wolkenstein
Wolfgang Schirmer 03.11.2020